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Nachlass Dieter ClaessensStaatsbibliothek zu Berlin. HandschriftenabteilungNachlass Dieter ClaessensSignatur: Nachl. 468 (Dieter Claessens)

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Nachlass Dieter ClaessensStaatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlass Dieter Claessens

Signatur: Nachl. 468 (Dieter Claessens)


Claessens, Dieter (1921-1997) [Bestandsbildner]

100 Kartons. - Nachlass

Biographische Notiz: Dieter Claessens gehörte zu dem durch den II. Weltkrieg besonders stark dezimierten Jahrgang 1921. Nach Erfahrungen mit totalitären Regimen faschistischer wie stalinistischer Prägung und der gewonnenen Einsicht, daß bei aller Ideologie letztlich stets der Mensch als Individuum der Leidtragende bleibt, war es nur folgerichtig, daß er nach 1949, nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft in das zerstörte und geteilte Berlin, sich zunächst den Problemen der Bevölkerung zuwandte, eine Sozialarbeiterausbildung anstrebte und nicht sein im Kriege begonnenes Studium der Theaterwissenschaften fortsetzte. (Die Erfahrungen aus seiner Sozialarbeiterausbildung sollten ihm während seines Rektorats an der Berliner FHSS 1974-1978 noch sehr zugute kommen.)Ein ausgeprägtes theoretisches Interesse an gesellschaftlichen Zusammenhängen bewog D.C. 1952, ein Studium der Soziologie, Ethnologie und Psychologie an der FU aufzunehmen. Als ehemaliger collégien (Dieter Claessens absolvierte das Französische Gymnasium zu Berlin) stand er der alten deutschen Bildungstradition nahe. Die Rezeption der deutschen "Vorväter" der Soziologie und der Soziologen der Weimarer Jahre wie Schäffle, Riehl, Scheler u.a. war für ihn genauso selbstverständlich wie die Aufarbeitung der in den USA, dem damaligen Mekka für die deutschen Soziologen, weiter entwickelte Soziologie, insbesondere in den Methoden empirischer Sozialforschung, einem Gebiet, das in der Bundesrepublik der 1950er-Jahre erst langsam erschlossen werden mußte. In die "Pionierjahre" der Soziologie an der FU, als noch mit nach heutigen Maßstäben lächerlich geringen Mitteln Sozialforschung betrieben und den knapp 30 Hauptfachsoziologen eine empirische Ausbildung vermittelt werden mußte, fallen Dieter Claessens erste Forschungsarbeiten (1955; 1957). Als 1957 das Institut für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät gegründet wurde, erhielt Dieter Claessens die erste Instituts- und Forschungsassistentenstelle. Auf seine Initiative gehen die Untersuchungen zu Fragen der Arbeitsplatzbewertung in der Industrie und im öffentlichen Dienst mit G. Hartfiel, L. Sedatis u.a. (1959; 1964) zurück, die seinerzeit in Arbeitgeber- und Gewerkschaftskreisen lebhaft diskutiert wurden.1960 hat sich Dieter Claessens mit einer inzwischen zum Klassiker gewordenen Schrift (1962; 1978) "Familie und Wertsystem" habilitiert, in der er als einer der ersten in der BRD die Streßsituation der Kernfamilie in der Industriegesellschaft und das von ihr zu bewältigende Problem der "Werte-Transmission" in praktikable Handlungstechniken diskutierte. Auf Weitergabe von "Kultur" angewiesen, um seine "genuine Positionalität" erreichen zu können, kann das Individuum vornehmlich in der Kernfamilie das Vertrauen und die "Vorhersehbarkeit des Verhaltens anderer" erwerben, das es in der Gesellschaft braucht, in die hinein es erzogen wird, um einerseits Distanz (z.B. von der Pflegeperson) zu ertragen, andererseits Solidarität zu entwickeln, Fähigkeiten, die das Individuum erst dazu befähigen, in der Gesellschaft zu leben.Wie auch schon in seiner Dissertation "Status als entwicklungssoziologischer Begriff" (1965) angelegt, galt Dieter Claessens besonderes wissenschaftliches Interesse der Entwicklung einer soziologischen Anthropologie. Unter Einbeziehung biologischer, kulturphilosophischer und psychologischer Ansätze griff er vor allem auf Scheler, Gehlen, Plessner und insbesondere auf Norbert Elias zurück und versuchte, die "Diskussion der 'latenten Anthropologie der bürgerlichen Moderne'" und eine Aufhellung der "Verflechtungszusammenhänge" zu initiieren (1967; 1970; 1977). Der mit Karen de Ahna erarbeitete Bericht zur Ursachenforschung des Terrorismus der 1960er- und 1970er-Jahre "Die West-Berliner Scene und die Bewegung '2. Juni'" (1982) verweist auf den empirischen Ansatz, den Dieter Claessens nie verlassen hat. Zur Weiterentwicklung seines anthropologischen Denkens in "Das Konkrete und das Abstrakte" (1980), einer auch wissenssoziologisch interessanten Arbeit - bildet die von ihm übersetzte und herausgegebene Studie von Field und Higley "Elitenfragen und Liberalismus" (1983) einen weiteren realitätsorientierten Kontrapunkt.Während seiner gesamten Lehrtätigkeit sowohl in Berlin als auch in Münster haben Dieter Claessens auch Überlegungen zu didaktischen Problemen, besonders beim Einstieg in das Soziologiestudium, beschäftigt. Die "Sozialkunde der BRD" (1965), die Herausgabe der Reihe "Grundfragen der Soziologie" im Juventa-Verlag, das Jugendlexikon "Gesellschaft" (1976), aber auch die Arbeit "Kapitalismus als Kultur" (1973) belegen das Bestreben, Studienanfängern und interessierten Lesern übersichtliche Literatur in verständlicher, jeden Fachjargon meidende Sprache an die Hand zu geben. So stieß Dieter Claessens auch während seines Rektorats in der Fachhochschule immer wieder auf Schwierigkeiten, seine Disziplin im Rahmen der Sozialarbeiterausbildung den Erfordernissen entsprechend und dennoch adäquat zu vermitteln. Mit einem ausführlichen, seine Überlegungen und Erfahrungen referierenden Memorandum hat er versucht, weitere didaktische Diskussionen im Fachhochschulbereich zu initiieren. 1983 trat er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Gleichwohl blieb der Kontakt zur Soziologie, nahm an Kongressen und Tagungen teil und verfolgte die Diskussion innerhalb des Faches. 1990 organisierte er zusammen mit R. Mackensen das "2nd International Symposium for Universalism" in Berlin. Die 1993 erschienene Aufsatzsammlung "Freude am soziologischen Denken" spiegelt die ganze Schaffensbreite Dieter Claessens wider. Neben zahlreichen Neuauflagen seiner Arbeiten und der Veröffentlichung mehrerer Aufsätze dokumentieren die "Sozialgeschichte für soziologisch Interessierte" (1995) und "Konkrete Soziologie" (1997, mit D. Tyradellis) die Kontinuität seines Werks.Dieter Claessens verstarb am 30.3.1997 in Berlin. Er war ein ausgesprochen eigenständiger Soziologe, der sich jeder schematischen Einordnung in "Schulen" oder "Richtungen" innerhalb der Soziologie entzog. Auf Erkenntnisse sowohl der philosophischen Anthropologie, der Cultural Anthropology, aber auch der Verhaltensforschung und Ethnologie zurückgreifend, hat er, besonders im Bereich der soziologischen Anthropologie, der deutschen Nachkriegssoziologie immer wieder interessante Denkanstöße gegeben. Seine Hauptarbeitsgebiete waren die Soziologische Anthropologie, Familiensoziologie und Sozialisationsforschung. (nach Biruta Schaller, in: Internationales Soziologenlexikon, Bd. 2. / hg. v. Wilhelm Bernsdorf u. Horst Knospe. 2., neu bearb. Aufl. - Stuttgart, 1984. S. 142-144 (leicht angepaßt und ergänzt von Christoph Liell)

Angaben zur Herkunft:Der Nachlass wurde von der Nachlassgeberin Frau K. Claessens an die Soziologische Bibliothek der Freien Universität Berlin, Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I, Institut für Soziologie (WE 2) übergeben. 2010 übernahm die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz den Nachlass.

Weitere Findmittel: Verzeichnis des Nachlasses von Prof. Dr. Dieter Claessens. Bearbeitet von Christoph Liell im Auftrag von Prof. Dr. Wolf Lepenies, Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Gefördert durch die Fritz-Thyssen-Stiftung. Berlin, 1998. - Die wissenschaftlichen Manuskripte von Dieter Claessens wurden zunächst danach unterschieden, ob sie Vorarbeiten bzw. Entwürfe zu veröffentlichten Werken sind (Aa) oder nicht. Die Materialien zu unveröffentlichten Manuskripten wurden anschließend danach geordnet, ob sie im Zusammenhang mit Tagungen und Kongressen (Ab) oder mit Lehrveranstaltungen (Ac) stehen. Manuskripte ohne solche Bezüge wurden unter der Signatur Ad abgelegt. Längere Kommentare anderer Autoren zu Werken von Dieter Claessens, die ihm zugesandt wurden, sind unter der Signatur Ae gesammelt. - Manuskripte von Diter Claessens mit biographischem oder literarischem Charakter finden sich bei den Signaturen B bzw. C. Die Sortierung bei den Signaturen A-C ist chronologisch. - Die Korrespondenz (also Briefe an und von Dieter Claessens) enthält zunächst Briefe, die einen Bezug zu der Entstehung oder Veröffentlichung von Manuskripten haben (Da). Dabei wurden die einzelnen Briefe als Sachakten zu Konvoluten zusammengefaßt und diese dann chronologisch geordnet. Die restliche Korrespondenz ist als Briefwechsel bei natürlichen Personen (Db) nach dem Nachnamen des Briefpartners, bei Institutionen (Dc) nach deren Namen alphabetisch geordnet. Innerhalb einer Mappe ist der Briefwechsel jeweils chronologisch sortiert. - Die Sammlung über Dieter Claessens (Ea) enthält vorwiegend Rezensionen zu seinen Werken. Außer bei veröffentlichten Manuskripten von Dieter Claessens hat die Zuordnung eines Dokuments zu einer Sammlung (Eb-Ee) höhere Priorität, d.h. in den Sammlungen finden sich z.B. auch Briefe und Manuskripte zu Lehrveranstaltungen, soweit sie die entsprechende Person betreffen. - Die Signaturgruppe F enthält Materialien im Zusammenhang mit Kongressen und Tagungen, soweit diese Dokumente (z.B. Programme, Teilnehmerlisten, Unterlagen die Fahrt und Unterkunft betreffend) aus Gründen des Umfangs nicht in Konvoluten der Signaturgruppe A-E enthalten sind. - Die Signaturgruppe G bezeichnet acht Kartons, in denen die Materialien ungeordnet und noch nicht erschlossen lagern: (G1) handschriftliche Notizen von Dieter Claessens,(G2) Materialien zur (Paläo-) Anthropologie/Ethnologie, (G3) Materialien zu Lehrveranstaltungen von Dieter Claessens, (G4) kopierte Texte anderer Autoren, (G5) gedruckte Texte anderer Autoren, (G6) Sonderdrucke anderer Autoren, (G7) Typoskripte anderer Autoren. - Hinweise, die das gedruckte Nachlassverzeichnis betreffen: Die Titelaufnahmen der Konvolute im Nachlaßverzeichnis beginnen mit der Signatur, die die Sortierreihenfolge angibt und als Standortangabe den Zugriff auf die einzelnen Konvolute ermöglicht. Der Vermerk Sonderstandort hinter der Signatur weist darauf hin, daß das entsprechende Dokument nicht in einer Mappe, sondern im Schrank (Rolltüren) aufbewahrt wird. Es folgen der Titel des Konvoluts, die Entstehungszeit (bzw. die Laufzeit bei Korrespondenzen), formale und inhaltliche Beschreibungen und für interne Zwecke die Identifikationsnummer (z.B. #20). Kursiv gedruckt erscheinen Verweisungen auf Signaturen im Nachlaß, Kongresse oder veröffentlichte Werke.

DE-611-BF-12055, http://kalliope-verbund.info/DE-611-BF-12055

Erfassung: 22. November 2005 ; Modifikation: 28. September 2022 ; Synchronisierungsdatum: 2024-03-29T15:03:38+01:00