WallensteinStaatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlaß Leopold von Ranke


Ranke, Leopold von (1795-1886) [Bestandsbildner]

1831-1869. - Insgesamt 12 Haupt-Mappen mit 665Bl.. - Rekonstruierter Nachlass, Sammlung

Inhaltsangabe: Es entspricht Rankes Interesse an den "pazifikatorischen Tendenzen" der Reichsverfassung, wenn auch Rankes Beschäftigung mit Wallenstein je länger je deutlicher in die Frage nach dessen "Idee einer Pacifikation" des Reiches einmündet. Dabei neigte der jüngere Ranke, während seiner Italienischen Reise auch durch bzw. gegen Förster auf Wallenstein aufmerksam (Ranke an Gentz Sept.1830, BW S.221; vgl Wittichen: Briefe von Gentz an Ranke, HZ 98/1907 S.335), noch in seinem 1831 auf Grundlage Münchner Quellen deutlich gegen Förster entworfenen "Wallenstein-Papier" eher auf die Seite derer, die in Wallenstein den hochverräterischen Kriegsmann sahen: Ein früher Reflex hierauf findet sich etwa gegen Ende des VII.Buches der Päpste von 1836: "Der Kaiser, um des Friedens willen, gab [Wallenstein] auf". Wohl wissend um Wallensteins "bizarren" Character wird Ranke dagegen in der "Geschichte Wallensteins" gerade dessen wachsenden Einsatz, ja Kampf um Frieden und Reichs-Pacifikation herausarbeiten - daß Wallenstein diesen verlor, kommentiert Ranke 1869 so: "In Deutschland traten nun erst die Kriegsjahre ein, welche eine allgemeine Verwüstung herbeigeführt haben; zuletzt hat dann die Übermacht der Fremden und in Bezug auf die Verfassung des Reiches nicht der kaiserliche (..) Gedanke (..) den Platz behalten; die Auflösung des Reiches bahnte sich an." - Der Katastrophe Wallensteins folgt die endliche Katastrophe des Reiches.Darüber handelte Ranke - nach dem präludierenden, Wallenstein und Richelieu in Beziehung setzenden 4.Capitel im 10.Buch der "Französischen Geschichte"(1853/1854) - zuerst öffentlich in seinen (bereits in der Franz.Geschichte (vgl. SW 9 S.337) angekündigten) 4 Wallenstein-Vorträgen vor der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin über "Wallensteins Katastrophe"(5.März 1857; 20.Mai 1858; 11.Aug.1859) und "Über die Ächtung und den Tod Wallensteins" (24.Jan.1861), sowie im Vortrag "Über die Politik Gustav Adolphs"(29.Nov.1860); wobei den Vorträgen zu "Wallensteins Katastrophe" Rankes Entdeckungen im Brüsseler Archiv 1852/53 zumal betreffend die spanischen Absichten sehr zustatten kamen, während Rankes Entdeckungen im Dresdner Hauptstaats-Archiv vom Herbst 1860 in die Vorträge "Über Ächtung und den Tod Wallensteins" und "Über die Politik Gustav Adolphs" einflossen; in Letzterem fasst Ranke zusammen, was die Aufgabe des Reiches im europäischen Interessen-Gemenge ausmachen sollte: "die Aufmerksamkeit richtet sich (..) auf die Frage der Reichsverfassung, die Durchführung eines haltbaren Verhältnisses zwischen Kaiser und Ständen. Von der größten Merkwürdigkeit dafür ist Wallenstein, (..) zwischen den Reichsständen protestantischen Glaubens und dem Kaiserthum selbst eine Gewalt hervorzubringen oder Pacification, der sich auch die Katholischen [Stände] unterwerfen sollten." (vgl. hierzu etwa Rankes späteres Resumee in Buch 2/Cap.5 in dessen "Genesis des Preuss. Staates" von 1874).In einem von Fuchs nach 38 I H gelegten, in lila Stoff gebundenen kleinen Heftchen findet sich unter dem Datum 26.Sept.[18]59 ein Eintrag Rankes, der so beginnt: "Bei den letzten Plänen Wallensteins gibt es ein festes gereiftes Moment: es ist die Herstellung des deutschen Friedens" (Bl.9'): Man sieht, zumal der ältere Ranke nimmt den "Fried" im Kompositum "Friedländer" beim Wort.Von Ranke etwa eigens angelegte Wallenstein-Quellen-Listen fanden sich nicht - wir folgen zunächste der Spur der Archive von München 1831 über Brüssel und Dresden bis zum Erscheinen der "Geschichte Wallensteins" im Juni 1869. Dabei zeigen die hier erstmals wieder versammelten Papiere Rankes - durch so viele Achive - fortschreitenden Weg hoch zu einer wie er sich ausdrückt "historischen Anschauung", die Wallenstein aus dem "Kreise der Anklage und Vertheidigung" herausnehmen und als gleichsam letzten Defensor von Reichseinheit und Reichsfrieden erkennbar machen soll: Entsprechend betrifft nahezu die Hälfte der von Ranke zusammengetragenen MS die im Dresdner Hauptstaats-Archiv bewahrten "Friedens-Tractaten 1631-34", die Ranke im Oct. 1860 (vgl. NB 403) durcharbeitete - handschriftlich überlieferte, neben Wallenstein besonders Gustav Adolph betreffende Quellen zur Sächsischen Politik dieser Zeit, die Rankes "Geschichte Wallensteins" mit begründen und deren wichtigste Ranke 1869 im II.Teil des Analecten-Anhanges ediert; im III.Teil wird Ranke vor allem Dokumente des Wallenstein-Gegners Conde de Onate "Aus den spanischen Papieren in Brüssel" edieren.Im I.Teil des Analecten-Anhanges seiner "Geschichte Wallensteins" bezieht sich Ranke zudem quellenkritisch auf Publikationen, die sich heute in Rankes Bibliothek in Syracuse befinden, und natürlich Spuren seiner Bearbeitung zeigen: Hier seien nur genannt des "Frantz Christoph Khevenhillers (..) Annales Ferdinandei (..) in zwölff Theilen mit 4 Kupfern" (Leipzig 1721-26; Syr.Bibl.Ra 943.042 K45 f), worin sich Rand-Glossen teils in der Schrift des jungen, teils des älteren Ranke finden - z.B. ab dem 11.Teil (1629f.; u.a. Spalte 430f.) gleicht Ranke u.a. den Kaiserlichen und Wallenstein feindlichen Geschichtschreiber ab mit Gualdo Prioratos "Historia di Ferdinando Terzo Imperatore"(Wien 1672; Ra 943.04 G89 f; vgl. SW 23 S.325f.); die Randglossen verstärken sich im 12.Teil der "Annales Ferdinandei" (1634f.; Spalte 1110f., vgl. 1123/1135/1144 etc.), hier vergleicht Ranke u.a. (gemeinsam mit einem Amanuensis) den von Dvorsky edierten, ihm von Gindely empfohlenen "zuverlässigen Druck des Berichtes Sesyma Raschin" über Wallenstein mit Khevenhiller - im Ergebnis erklärt Ranke in SW 23 S.335: "Khevenhiller hat [Sesymas Bericht] zwar aufgenommen, aber als seine eigene Erzählung und auf seine Weise (..) Gewiss erscheint die Schuld Wallensteins bei Khevenhiller größer und zweifelloser, als bei Sesyma." - in einem zurückgelegten Papier ist Ranke deutlicher: "die Erzählung Khevenhillers [kann sich] nicht behaupten".(Vgl. ausserdem vor allem "Vornehmlich italienische Quellen zur Reichsgeschichte VI, 1622-1641"(DS 1572243) aus Nachlass-Segment III "Deutsche Geschichten/ Deutsches Reich", worin die während der italienischen Reise zusammen getragenen Materialien zu Wallenstein und zum dreissigjährigen Krieg entsprechend Rankes erhalten gebliebenen Quellen-Listen erfasst sind; sowie Segment I „Frühe Werke /Geschichten der romanischen und germanischen Völker" - ([Abgebrochene Vorarbeiten: Dreissigjähriger Krieg] DS 537553), Rankes 1820 angelegte und 1825f. ergänzte Excerpt-Sammlung „Zum dreiyssigjährigen Krieg“, dort zu Wallenstein u.a. Bl.21/21‘/22f./26f.)

Literaturhinweise: Ranke: Geschichte Wallensteins, Leipzig 1869; Ranke: Geschichte Wallensteins. Dritte Auflage, SW 23(1872; Zitat S.313&281, vgl.240); Ranke: Französische Geschichte SW 9(10.Buch/4.Cap. S.323ff.: "(..)Verhältnis zu Wallenstein"); Ranke: Englische Geschichte SW 15(1877; Erstauflage Bd.2(1860); Ranke: Zwölf Bücher Preussischer Geschichte, SW 25/26 (=Genesis; 1874; bes. S.210f.); Ranke: Die Päpste SW 38&39(u.a. Analecten Nr.114; Zitat SW 38/S.366 betr. Wallensteins 1.Entlassung);, Ranke: Vorträge vor der Königlichen Akademie zu Berlin - "Über Wallensteins Katastrophe"(5.März 1857; 20.Mai 1858; 11.Aug. 1859) und „Über die Ächtung und den Tod Wallensteins“ (24.Jan.1861), sowie "Über die Politik Gustav Adolphs im Jahr 1632" (29.Nov.1860) - vergl. die entsprechenden Monatsberichte der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin., Ed Muir: The Leopold von Ranke Manuscript Collection of Syracuse University. The Complete Catalogue, Syracuse 1983.

Ordnungszustand: Geordnet - Katalogisiert

Pfad: Nachlaß Leopold von Ranke / Segment III: Deutsche Geschichten

DE-611-BF-27233, http://kalliope-verbund.info/DE-611-BF-27233

Erfassung: 7. Juli 2009 ; Modifikation: 17. Dezember 2022 ; Synchronisierungsdatum: 2024-03-29T17:18:15+01:00