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Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln Max-Bruch-Archiv Signatur: Br. Korr. 154, 394
Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv
Signatur: Br. Korr. 154, 394
Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser], Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]
Sondershausen, 11.08.1870. - 7 Seiten, Deutsch. - Brief
Inhaltsangabe: Transkription: Mein lieber Freund, der Entschluß, den uns Dein heutiger Brief verkündet, ist nobel und hochherzig und Deiner würdig. Deine Freunde können nur wünschen, daß Deine Gesundheit den ungewohnten Strapazen und bedeutenden Anstrengungen gewachsen sein möge. Weit entfernt davon, Dir die Ausführung Deines edlen Vorhabens meinerseits durch naheliegende Vorstellungen nehmen zu wollen, möchte ich Dir nur noch die eine Bitte an’s Herz legen, Dir nicht allzuviel zuzumuthen, und nicht ganz zu vergessen, daß Dein Kölner Unfall im Frühjahr Dich doch für einige Zeit tüchtig mitgenommen hat und Dir in der That einige Schonung fast zur Pflicht macht. Ich wünsche, dasß Du an der Stelle, wohin Dich der Zufall führt, viel Gutes wirken mögest und das Deinige zur Linderung des grossen Elends beitragen könntest. Meine und meiner Schwester allerbeste Segenswünsche begleiten Dich, lieber Freund! Mögest Du uns in voller Frische bald zurückkehren! – Die jetzige Bewegung in Deutschland ist nach zwei Seiten hier, wie mir scheint, noch großartiger, als die von 1813-14. Diesmal sind alle deutschen Stämme in nie geahnter Weise einig, während damals 9/10 der ganzen Sache im Hader gemacht wurde; dann sind die rein militärischen Leistungen 1866 und jetzt ungleich gewaltiger zu sehen, imponirender als die der Freiheitskriege. Noch eine siegreiche Schlacht zwischen Metz und Nancy (Nanzig muß man von jetzt ab wieder schreiben!) u. der Weg nach Paris steht unseren Heeren offen. Bis in die letzten Tage hatte diese Nation von Schweinen, Affen und Windbeuteln noch das Bedürfnis, sich selbst zu belügen, wie gewöhnlich; die Periode der Selbsttäuschungen möchte indeß doch jetzt abgeschlossen sein, die „große Nation“, wird sich nicht länger den furchtbaren Ernst der Lage und der Einsicht, daß Louis den dümmsten und schlechtesten Streich seines Lebens gemacht hat, verschließen können. Das ist der Fluch dieser Tage: der harmloseste Mensch läßt sich in den harmlosesten Briefen verführen, politische Leitartikel zu schreiben, die alsbald für den Empfänger zu Leidartikeln werden! Verzeih! – Ich kann nichts thun, als nach meinen geringen Kräften Geld beisteuern. Für praktische Hilfsleistungen in Lazarethe etc. wäre ich absolut unbrauchbar, da ich von den meisten Dingen des praktischen Lebens nicht einmal die ersten Anschauungen, die Grundbegriffe habe, und deshalb nur überall im Wege sein würde. Ich muß mir dies ab und zu recht irgendwie und klar machen, daß ich in dieser Weise dem Vaterland leider nicht nützen kann. „Etwas schickt sich nicht für Alle“ – ich weiß wohl, wie man eine Oper anfaßt. Aber leider nicht, wie eine Schüssel, einen Topf, wie man einen Verwundeten so aufhebt, daß es ihm nicht weh thut. Hermione ist ungefähr zur Hälfte fertig, ich arbeite seit Juni immer daran, und darf hoffen, bis zum Herbst alles Wesentliche fertig (auch instr.) zu haben. Hoffen wir, daß ich Dir dann in schöner Friedenszeit Alles vorspielen kann! – Und so leb wohl. Deinen Eltern alles Gute und Herzliche. Ich bin allzeit Dein treuergebener Max Bruch. Donnerstag Morgen. P.S. Denke Dir, bei Zanders sieht es jammervoll aus. Er und sie waren in Ems, flohen von dort bei Ausbruch des Krieges nach Tübingen, dort erklärte Prof. Bruns die ganze bisherige Behandlung für verfehlt, schickte sie nach der Schweiz; jetzt sitzen Maria und der ärmste, todtkranke Mann auf Seelisberg am Vierwaldstädter See, fern der Heimath, getrennt von den Kinderchen, die Aussicht auf Rettung ist gering. Traurig, schrecklich.Zanders, Maria (1839-1904) [Erwähnt], Zanders, Richard (1826-1870) [Erwähnt]
Bemerkung: Max Bruch ER meldet sich als Sanitäter, MB erklärt, warum er das nicht kann.
Objekteigenschaften: HandschriftPfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz
DE-611-HS-4308487, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4308487
Erfassung: 11. Dezember 2025 ; Modifikation: 11. Dezember 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-12-11T13:05:37+01:00
