ReformationStaatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlaß Leopold von Ranke


Ranke, Leopold von (1795-1886) [Bestandsbildner]

1835-1885. - 62 Haupt-Mappen mit zusammen 4262 Bl. (darunter 48Hefte).. - Rekonstruierter Nachlass

Inhaltsangabe: Dem Untersegment „Deutsche Geschichten/Deutsches Reich“ vergleichbare Quellen-Listen fanden sich für das Untersegment „Deutsche Geschichten/Reformation“ nicht. Doch ergibt sich die Ordnung zunächst der Quellen-Excerpte und -Abschriften für Rankes "Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation" aus der bei Rekonstruktion derselben wiederentdeckten Abfolge der Ranke’schen Forschungen zunächst in deutschen und europäischen Archiven. Dabei sind ebenfalls verwendete Quellen aus Rankes Italienischer Reise bereits im Untersegment „Deutsches Reich“ erfasst (vgl. DS Nr. 27231); und zu den etwa aus der Sammlung der „Informazioni politiche“ der Königlichen Bibliothek zu Berlin entnommenen Quellen vgl. u.a. Rankes 3 Folio-Hefte „Venezianische Relazionen aus Berlin und Gotha“(DS Nr.552311). Überhaupt hat die Königliche Bibliothek bzw. haben ihre reichhaltigen Bestände auch für dies Werk erhebliche Bedeutung, wie etwa der Blick auf Rankes Edition der Augsburger Confession zeigen mag (vgl. „Beispiele aus der Arbeit mit Beständen der Königlichen Bibliothek zu Berlin: Listen, Excerpte, Abschriften, u.a. Vorarbeiten zur Edition der Augsburger Confession“, DS Nr.3883705).Reichtum, Vielfalt und Güte der von Ranke zusammengetragenen und erstmals wieder rekonstruierten Quellen-Sammlungen können hier nicht annähernd gewürdigt werden – allerdings fällt auf, daß 2 Archive der „Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation“ entscheidend Anstoß gaben: Zunächst das von Ranke 1835&1836 besuchte Frankfurter Stadtarchiv, dessen bislang „unbenutzte Sammlungen deutscher Reichstagsakten“ Ranke so faszinierten, daß er sogleich mit Rückkehr nach Berlin daraus ein zuletzt über 1000seitiges Manuscript niederschrieb, welches später Joachimsen zu großen Teilen aus dem verwirrten Ranke-Nachlass heraus entdecken, in Ordnung bringen und in Auszügen edieren wird; zudem konnte der von Joachimsen als solcher übersehene 1.Teil dieses Manuscripts wiederentdeckt und rekonstruiert werden (vgl. „Auszug aus den Reichstagsacten 1441-1445[1495] in der Frankfurter Sammlung: Der erste Teil zum „Frankfurter Manuscript“): Mit dem einst von Joachimsen so genannten „Frankfurter Manuscript“ (von 1836/37; DS Nr. 3889349) und dem nun identifizierten Anfang desselben (1836; DS Nr.3889349) liegt erstmals ein kompletter Ur-Entwurf vor – derselbe ist ganz auf die an den Reichstagsakten abzulesende Entwicklung der Reichsverfassung konzentriert: In seinem Akademie-Vortrag vom 1.Februar 1838 wird Ranke resumieren: “Meine Absicht [bei Erforschung der Reichstagsacten] war nur, mich selbst zu unterweisen, und ein gründlicheres, umfassenderes und durchgreifenderes Werk vorzubereiten, als bisher vorhanden ist“. (vgl. „Über einige noch unbenutzte Sammlungen deutscher Reichstagsacten“ - Academie-Vortrag Feb.1838“, DS Nr.4016724). Und noch in der Vorrede zu Bd.1(1839) der "Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation" wird Ranke ähnlich schreiben: „Meine Idee war nur, aus einer womöglich ununterbrochenen Reihe von Reichstagsacten den Gang und die Entwickelung der Verfassung näher zu erforschen“.Allerdings eine den Blick weitende, auf europäische Verhältnisse orientierte „Geschichte des Zeitalters Carls V.“ wird Rankes „Deutsche Geschichte“ erst mit seinen Forschungen 1839&1841 (DS Nr. 1575331 & 2852550) in dem von Louis Prosper Gachard geleiteten Brüsseler Archiv werden, durch die „Documents relatifs a l'histoire de la reforme religieuse“, besonders den für die Zeit Carl V. sensationellen „Archives de la Secretairerie d'Etat Allemande“, bekanngemacht durch die rapports von Gachard und Victor Amadee Coremans 1837/38f.: Der Bruch bzw. Fortschritt in Rankes Werk ist ein großer – vergleichbar mit dem Bruch, den 1825 Rankes Entdeckung der Infomatione politiche der Königlichen Bibliothek zu Berlin bewirkte, oder später seine Funde an Relationen während der italienischen Reise 1827f.: In beiden Fällen wird Vor-Geplantes verworfen, und entsteht ein neues Werk; so auch jetzt. Ranke kündigt den 3. – sozusagen den Brüsseler - Fortschritt von 1839f. in der Vorrede zum 3.Bd.(1840) der Reformationsgeschichte an (und schreibt folgend bereits erschienene Bände um): „Im Fortgang der Arbeit wurde ich inne, daß ich aus den mir zu Gebote stehenden Sammlungen noch immer nicht zu einer sichern Anschauung der allgemeinen europäischen Verhältnisse in meiner Epoche gelangen konnte“. Vgl. hierzu etwa folgendes Zitat: "Ranke a dit: qui n'a pas etudie les archives allemands de Bruxelles, ne peut plus ecrire l'historie des evenements du XVI. et du XVII siecle"(Compte-Rendu des Seances de la Commission Royale d'Histoire, I.Bulletin Seance du 8.octobre 1842, p.27, Bruxelles 1843).Man sieht, wie sich Rankes Werk im Dialog mit den Quellen entwickelt – der Blick auf die hier ebenfalls erstmals wieder zusammengeführten, entsprechenden Manuscripte macht freilich deutlich, daß Rankes Leit-Fragen an die „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation“ lange vorher zu entstehen beginnen: Z.B. Rankes „Frühe Excerpte aus Hortleder“ (DS Nr.3885438) - von Fuchs seiner von Ranke vorgegebenen Ordnung beraubt bzw. fragmentiert und mit fremden Quellen durchmischt als sogenanntes „Fragment über Luther“ von 1817 ediert – zeigen Rankes bislang übersehene Nähe zur Leipziger Literatur Zeitung und deren Positionen im Lutherjahr 1817, wofür u.a. etwa Pölitz Leipziger Vortrag vom 30.Oct. 1817 beispielhaft sein mag: Über „Die Ähnlichkeit des Kampfes um bürgerliche und politische Freiheit in unserem Zeitalter, mit dem Kampfe um die religiöse und kirchliche Freiheit im Zeitalter der Reformation“. In einem nurmehr fragmentarisch erhaltenen Venezianischen Papier von 1828/30 stellt Ranke thesenartig Ähnlichkeiten und Unterschiede von Reformation und Revolution zusammen (DS Nr. 3889295) – wieder ist es das an Ranke oft beobachtete „Irenische“, das ihn das „Principium der Reformation“ verteidigen lässt: Es erscheint Ranke „unendlich viel stabiler, als irgend ein revolutionäres“. Daß überhaupt Rankes entschiedene Wendung zu einer kritischen Verfassungs-Geschichte eng mit dem politischen Diskurs der 1820er und 1830er zusammenhängt, ist dabei offensichtlich: Es ist ja gerade die fortlaufende politische Krise bzw. die ebenso fortlaufend durch Reichstags-Quellen dokumentierten Beispiele der kommunikativen Bewältigung - bestenfalls: Befriedung - einer solchen, was Ranke sozusagen analog fasziniert. Zu dieser Zeit ohnehin als Herausgeber der Historisch-politischen Zeitschrift heftig mit den tagespolitischen Diskursen befasst, folgt Ranke wie gebannt den von ihm 1835f. entdeckten Reichstags-Protokollen: Zeigt sich hier etwa eine elastische Staatsform – ein wenn auch historisch bedingtes Exempel, selbst grundlegende Reformen ohne revolutionäre Brüche, das heisst in Frieden, zu ermöglichen? Auffallend etwa eine Stelle zum Augsburger Reichstag 1547/48: „Man sieht der Kaiser ist Präsident. Aus den verschiedenen Meinungen bildet er eine neue und nimmt von ihnen auf was er kann. So sind auch die letzten Worte [der kaiserlichen Erklärung] ganz aus dem Bedenken der protestantischen Churfürsten [übernommen]“ (Bl.488) – Hier stellt Ranke das Alte Reich als Republik vor, mit den Reichstagen als Parlament und dem Kaiser als präsidialem Vermittler.Vgl. im Einzelnen die Titel im Inhaltsverzeichnis, wo möglich nach "Quellen" bzw. "Manuscripten" unterschieden. Vgl. in diesem Zusammenhang u.a. auch Rankes Arbeiten zur Verfassung der Republik Venedig in Segment II: Italienische Geschichten/Venedig (DSNr.27125), hier etwa aus den "Manuscripten zur venezianischen Geschichte: Verfassung, Staatsinquisition und ihre Statuten, Wiener kritische Abhandlung zu Daru" (Werk-MS-Fragmente 1827/31 aus Wien und Venedig; DSNr.3592256) Rankes Bemerkung zur Venezianischen Staatsform: "Gestalt der Verfssg. Idee des Staates. - Aufgabe: Entwickelung ohne Geräusch".(Das von Elisabeth Schweizer aus diversen Stellen des Ranke-Nachlasses zu 4 Heftchen gezogene, von ihr im 6.Bd.(S.313f.) der von Joachimsen herausgegebenen Ranke-Akademie-Ausgabe 1926 zusammengestellte und edierte, sogenannte „Luther-Fragment“ wird dort katalogisiert, wo die Einzel-Teile im Nachlass lagen: Nicht bei Materialien zur Reformations-Geschichte, sondern in Alt-Fasc.38 „Lebensdocumente“ bzw. Segment IX: Nachlass-Teile, vorwiegend von Bock und Fuchs geordnet).

Literaturhinweise: Ranke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd.1-6, Berlin 1839-47; 2.Auflage Bd.1-6, Berlin 1842-1847(ab Bd.4/1843=Erstauflage); 3.Auflage Bd.1-5, Berlin 1852; 4.Auflage SW 1-6(1867-68); , Ranke: Deutsche Geschichte(..), Bd.1-6, München 1925-26 (Gesamtausgabe Deutsche Akademie: Leopold von Ranke's Werke, Hg.Paul Joachimsen; Bd.1(S.VIIf.) zur Entstehung des Werkes, Bd.6(S.489f.) Textvergleichung der Auflagen 1-4(Bd.1-5) mit den SW 1867f./73);, Karl Brandi: Die Entstehung von Rankes Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation. In: Nachrichten der Akad. der Wissensch. Göttingen, Phil.-Hist.Klasse1946/47, S.13f. , Vgl. zur Bedeutung zumal des Weimarer Archives für die Entwicklung von Rankes Werk besonders Joachimsen und Brandi, die freilich zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangen - zusammengefasst bei Gunter Berg: Leopold von Ranke als akademischer Lehrer, Göttingen 1968, S.109f., Ed Muir: The Ranke Manuscript Collection of Syracuse University, Syracuse 1983.

Ordnungszustand: Geordnet - Katalogisiert

Pfad: Nachlaß Leopold von Ranke / Segment III: Deutsche Geschichten

DE-611-BF-27232, http://kalliope-verbund.info/DE-611-BF-27232

Erfassung: 7. Juli 2009 ; Modifikation: 20. Dezember 2022 ; Synchronisierungsdatum: 2024-03-29T17:18:14+01:00