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Politische Denkschriften fremder Hand, 1841-1848Staatsbibliothek zu Berlin. HandschriftenabteilungNachlaß Leopold von Ranke

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Politische Denkschriften fremder Hand, 1841-1848Staatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlaß Leopold von Ranke


Berlin, Bremen, 1841-1848. - 3 Schriftstücke mit zusammen 21 Blatt., Nr.1 "Sind die ständischen Ausschüsse" (Bl.1-3): 14,5x33,5cm; Nr.2 "Zur richtigen Beurtheilung"(Bl.4-13): 22x36cm, fadengeheftet; Nr.3 "Was die politische Crise"(Bl.14-21): 21x28cm, fadengeheftet., Deutsch

Inhaltsangabe: Die 3 hier zusammengeführten "Denkschriften fremder Hand" Bl.1-21 bilden einen bislang im Nachlass verschütteten Rest einer einst wohl wesentlich umfangreicheren Sammlung zumal aus der Zeit des Vormärz, der Revolution etc. Spätestens seit Ernennung zum Historiographen des Preussischen Staates (17.Juli 1841) rückte Ranke näher an Hof und König heran - Man stand im sozusagen königlichen Diskurs (vgl. SW 53/54 S.52f.&S.70f.). Gewiss erhielt Ranke in diesem Zusammenhang so sehr Schriftstücke, wie er selbst welche mitteilte. Erstere vor allem wird Ranke später schon aus Diskretion rückgegeben bzw. entsorgt haben - folgende 3 "Denkschriften fremder Hand" von einiger Bandbreite fanden sich dennoch im Nachlass:1) Bl.1-3 "Sind die ständischen Ausschüsse der Weg zu einer Constitution? Berlin, 21.Okt.[1841]", auf Bl.3' mit Bleistift notiert "21.X.1847" und mit Buntstift "Ausschüße II Correctur": Diese Ranke in noch zu korrigierender Fassung vorgelegte Druckfahne (im Druckbild der Allgemeinen Preussischen Staats-Zeitung) entstammt allemal höchsten preussischen Regierungskreisen - sie zeigt ein entschiedenes Plädoyer für monarchische Gewalt bzw. gegen konstitutionelle Einhegung derselben:.Bl.1: "Preussen bedarf keiner Constitution (..) Eine Constitution würde die Verfassung vernichten, welche Preussen gegenwärdtig hat" (..) "Preussens Stellung in Europa ist in jeder Hinsicht intermediär" - in einem konstitutionellen System würde Preussen den widerstreitenden inneren und äusseren Interessen bzw. Parteiungen zum Opfer fallem. Der Garant Preussens ist die Krone - Fällt diese, fällt Preussen: Das ist die Position des Königs - der zwar Stärkung der provinzialen Landstände bis hin zu ständischen (Regierungs-)Ausschüssen zugeben mag, aber keine konstitutionelle Verfassung.Dies Schriftstück ist mit leicht verändertem Satz und einigen Korrekturen im 18.Band(1859; S.241f.) der Berliner Revue abgedruckt, dort mit Datum "21.October 1841", vorgestellt als "ein nicht gedruckter, für die Staatszeitung bestimmter (..) Artikel" - als Verfasser ist König Friedrich Wilhelm IV. genannt.2) Bl.4-13 "Zur richtigen Beurtheilung der Verfassungsfrage Preußens, gehört ein richtiger Standpunkt", Abschrift einer Denkschrift/Vortrag, oben rechts Bl.4 mit Bleistift "Sommer 1847" - Bl.12 ist das "Patent die ständischen Einrichtungen betreffend vom 3.Feb.1847" benannt, Bl.11 wird der Zustand Preussens um 1840 beschrieben gefolgt von der Frage "Was ist in den letzten 7 Jahren geschehen"(Bl.11'). Ebfs. Bl.11' erscheint der am 11.April eröffnete vereinigte Landtag als bereits "zusammenberufen". Die Anrede "Majestät" bzw. "Ihres in Gott ruhenden Herrn Vaters (FW III)"(Bl.12) bezeugt zudem einen Vortrag direkt vor König Friedrich Wilhelm IV; da der Vereinigte Landtag 26.Juni 1847 durch den König aufgelöst wurde, fällt dieser Vortrag eher in die Phase des Scheiterns des Landtages und mag zur königlichen Orientierung gedient haben. Zur Beschreibung des "richtigen Standpuncts" bzw. der daraus abzuleitenden "historischen Lehren" bedient sich Verfasser ohne Quellenangabe des 1.Bandes der "9 Bücher Preussischer Geschichte" Rankes - so etwa Bl.4 zum großen Churfürsten wörtlich in Rankes "9 Bücher" (Bd.1/1847, S.58&69; SW 25/26, S.278), dann Bl.5 über das "votum consultativum" von 1683 (Bd.1/1847, S.65; SW 25/26, S.282-83), Bl.6 über das Maas der Kräfte Preussens (Bd.1/1847, S.68; SW 25/26, S.?), Bl.10 unten Preussen "im Conflicte der Weltkräfte" (Bd.1/1847, S.353; SW 27/28, S.185) - zudem verstecken sich weitere nicht gekennzeichnete Übernahmen aus Rankes Werk, so z.B. aus "Die römischen Päpste" (Bd.2/ 1836, S.541; SW 38, S.355) eine fast wörtliche Übernahme betreffend Papst Urban auf Bl.11 etc. Der 1.Band der "9 Bücher Preussischer Geschichte" war Juni 1847 erschienen, von Ranke 24.Juni 1847 (NB S.325) an den König abgeschickt und also dem König im "Sommer 1847" bekannt - und wie man sieht: Dem Verfasser sowieso. Bl.10 unten nennt er Ranke ohne weitere Namensangabe "einen unserer größten Historiker". Als Verfasser kann hier nur Edwin von Manteuffel in Frage kommen - nur bei ihm kann sich bewundernde Kenntnis des Ranke'schen Werkes mit der Möglichkeit eines solchen Vortrags vor dem König vereinen: Bl.13 der Abschrift zeigt zudem eine ergänzende Randnotiz wohl in der Handschrift Manteuffels. Auch Ranke selbst hat wahrscheinlich an diesem Vortrag mitgearbeitet - er ist folgenden Inhalts:Es fällt auf, daß der Verfasser liberale Ideen im Grundsatz verteidigt gegen heute herrschende liberale Doktrinen: "Die liberale Parhey war der erste Verbündete im Kampf gegen Napoleon"(Bl.8); in der "öffentlichen Meinung" erkennt er ein "richtiges Gefühl von den Bedürfnissen und den vorhandenen Mängeln"(Bl.11); die Geschichte zeigt freilich, daß die "Idee Preussens"(Bl.10) weder in diesen, noch in Adel (Bl.6&7) oder Provinzen (Bl.11') bzw. Landschaften (Bl.7) oder den Ständen allein repräsentiert ist; Einzelinteressen machen keinen Staat, auch ständische Verfassungen(Bl.4'&5'&12) kommen und gehen; indeß die Forderungen der Zeit zum Vorteil des Ganzen zu wenden, mache immer die Größe der Herrscher aus. Heute ist entscheidend, weder dem französisch-revolutionären, noch dem russisch-autokratischen Weg zu folgen (Bl.12') - sondern mit Preussen auf dem III.Weg voran zu gehen, dem der constitutionellen Monarchie (Bl.12'). Hierfür den "individuell preussischen Geist" zu beleben, ist Aufgabe der Krone (Bl.12 unten).3) Bl.14-21 "Was die politische Crise, die in unsere Tage fällt, vor allem als gefährlich erscheinen lässt, ist die Unwahrheit, der alle Partheien (..) sich hingeben", Denkschrift, oben links mit Tinte "Abschrift", oben rechts mit Bleistift "(nicht von Ranke)", letzte Zeile Bl.21 "Bremen Ende Februar 1848" - einleitend wird "Unwahrheit" als Grundproblem des politischen Diskurses benannt, wie der "neuliche Bassermann'sche Antrag in der Badischen Ständeversammlung auf eine veränderte Organistation des deutschen Bundes und der Bundesversammlung" (vom 12.Feb.1848) einmal mehr beweise. Verfasser fordert "Ehrlichkeit" im Diskurs, und die deutsche Einheit schon um des Handels willen, jedoch mit und durch "Mässigung": Ein Kernsatz ist: "Soll Deutschland zu der hohen Bestimmung heranreifen, wozu es schon durch seine geographische Lage im Mittelpuncte von Europa berufen scheint, so muss es unrevolutioniert bleiben" (Bl.21) - weil die deutschen Staaten sonst "als im Revolutionszustande befindlich, Russen und Franzosen zur Beute" würden (Bl.21). Die Denkschrift endet mit der Warnung: Sollte "die Generation unserer Tage" die Probleme nicht zu lösen verstehen, so "wird die gegenwärdtige Auswanderung zu einer den Ocean überschreitenden Völkerwanderung" werden (Bl.21 unten).Sehr wahrscheinlich ist der Verfasser der Bremer Politiker, Senator und Bürgemeister Johann Smidt - in der Augsburger Allgemeinen Zeitung 6.März 1848 (Nr.68) wird eine Denkschrift Smidts vom 17.Feb.1848 erwähnt, welche Smidt an den badischen Minister von Dusch wegen des Bassermann'schen Antrags gerichtet hatte. Ranke hat wohl eine Abschrift davon erhalten - Ranke und Smidt kannten sich spätestens seit August 1840, und hatten sich u.a. auf dem Germanisten-Tag zu Frankfurt 24./28.Sept.1846 getroffen (vgl. BW S.336, dazu Helmolt: Ranke, S.100). Offenbar bestanden hier engere Verbindungen als bislang zur Kenntnis genommen.

Literaturhinweise: Ranke: "Begründung einer ständischen Central-Verfassung", in: Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. mit Bunsen, Leipzig 1873 (SW 49/50 S.411f.); Ranke: Friedrich Wilhelm IV, SW 51/52 S.403f., besonders S.426f.; was Ranke zu seinen königlichen Beziehungen in den Lebensbeschreibungen sagt, verdunkelt eher als daß es erhellt, vgl. SW 53/54 S.52f./70f.; das gilt auch für Rankes Notiz bei Manteuffels Tod SW 53/54 S.650f. Die Korrespondenz Manteuffel-Ranke aus den 1840-50ern ist kaum bekannt - Ranke wird viel entsorgt haben (vgl. aber NB S.328f., 344f., 382f.). Doves Edition beginnt 1871 - Alfred Dove: Briefe Manteuffels an Ranke, in: Ausgewählte Schriftchen, Leipzig 1898, S.235f.; vgl. auch "Manteuffel und Ranke", in: Elisabeth Schmitz: Manteuffel als Quelle zur Geschichte Friedrich Wilhelms IV, München 1921, S.76f. Zuletzt über Ranke und Johann Smidt fand sich nichts in der Literatur - Smidts Nachlasss-Katalog (Staatsarchiv Bremen, Bestand 7,20) von 2004 nennt Nr.1406 einige Briefe für 1840.

Editionshinweise: Nr.1 "Sind die ständischen Ausschüsse" (Bl.1-3;1841) - Vollständig ediert in einem Artikel "Ein Blick in die Vergangenheit" aus der Berliner Revue, 18.Bd./1859/3.Quartal, (S.238f.) S.241f.

Ausreifungsgrad: Nr.1 "Sind die ständischen Ausschüsse"(Bl.1-3, 1841): Druckfahne; Nr.2 "Zur richtigen Beurtheilung"(Bl.4-13, 1847) und Nr.3 "Was die politische Crise"(Bl.14-21, 1848): Denkschrift, Abschrift fremder Hand.Wasserzeichen: Nr.1 "Sind die ständischen Ausschüsse" (Bl.1-3) - grobes Bütten, WZ: Anker; Nr.2 "Zur richtigen Beurtheilung"(Bl.4-13) - kein WZ; Nr.3 "Was die politische Crise"(Bl.14-21) - WZ: LONDON, trötende Meerjungfrau.

Objekteigenschaften: Medienkombination

Pfad: Nachlaß Leopold von Ranke / Segment IV: Preussische Geschichten / Politische Denkschriften, Gutachten und Entwürfe 1831-1882

DE-611-HS-1582091, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-1582091

Erfassung: 2. Oktober 2009 ; Modifikation: 15. April 2019 ; Synchronisierungsdatum: 2024-03-29T17:18:15+01:00